
Steigende Mieten und Kündigungen wegen Eigenbedarfs
Immer mehr ältere Menschen werden aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herausgeklagt. Die Fraktion DIE LINKE will sie gesetzlich schützen lassen.
Waltraud Neumann lebt seit 45 Jahren in einem Mehrfamilienhaus zur Miete. Niemals hatte sie Probleme in ihrem oberpfälzischen Idyll – bis im Jahr 2013 der Besitzer wechselte. Seitdem klagt der neue Vermieter gegen sie. Frau Neumann berichtet von persönlichem Druck und Drohungen. Sie soll ihre Wohnung verlassen, weil der Hausbesitzer »Eigenbedarf« anmeldet. Angeblich brauche er ihre Wohnung für seine getrennt lebende Ex-Frau und den gemeinsamen Sohn. Frau Neumann hat sich Hilfe beim Mieterverein in Schwandorf geholt. Sie erlebt den möglichen Verlust der Wohnung als »sehr bedrohlich«. Mit dieser Situation ist sie nicht allein. Wohnen wird für ältere Menschen zu einer immer größeren Belastung. Die meisten Vermieter erhöhten in den vergangenen Jahren stark die Mieten. Unterdessen stiegen die Renten kaum.
Schon 2016 mussten Mieter in Haushalten, in denen über 65-Jährige leben, etwa 34 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben. Zwei Drittel aller Haushalte waren mit Mietkosten von mehr als 30 Prozent belastet. Dies fand das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) heraus. Wenn ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Wohnkosten zahlt, sprechen die Forscher von einer »hohen Belastung«.
Sie konnten nachweisen, dass 20 Jahre zuvor noch 38 Prozent der betreffenden Haushalte über diese Grenzen kamen. »Wohnraum ist zunehmend für viele Seniorinnen und Senioren unbezahlbar«, fasst Studienautorin Laura Romeu Gordo die Ergebnisse zusammen.
Mieterverbände berichten, dass immer häufiger gerade alten Mietern gekündigt wird. Zumeist führen die Vermieter, wie im Fall von Frau Neumann, angeblichen »Eigenbedarf« an, um ältere und für Mieter günstige Verträge zu beenden. Ein solcher Fall aus Berlin erreichte im Mai den Bundesgerichtshof. Eine Berliner Rentnerin sollte ihre Wohnung für eine junge Familie räumen. Die 80-jährige Mieterin ist an Demenz erkrankt, auch sie lebt bereits seit 45 Jahren in einer Dreizimmerwohnung.
Die Bundesrichter entschieden, zunächst müsse durch Gutachten belegt werden, ob für die alte Dame durch einen möglichen Umzug negative gesundheitliche Folgen entstehen. Betroffenen vereinfacht diese richterliche Entscheidung die Lage nicht. Immerhin müssen sie nun nachweisen, dass ihnen aus einem Umzug »unzumutbare Härten« entstehen. Sie sind gezwungen, in einer ohnehin stressigen Situation zusätzliche Leistungen für teure Gutachter aufzubringen.
Darüber hinaus nimmt das Urteil vielen den Mut, sich gegen möglicherweise unberechtigte Kündigungen zu wehren. Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, fordert seit Langem, dass die Bundesregierung den Schutz für Mieter endlich verbessert. Kündigungen über 70-jähriger Mieterinnen und Mieter sollten pauschal als Härtefall definiert und damit ausgeschlossen werden. Im Mai 2019 stellte die Linksfraktion im Parlament entsprechende Anträge (siehe auch Kommentar).
Malte Daniljuk
Mietendeckel und Kündigungsschutz!
Alte Bäume verpflanzt man nicht, sagt der Volksmund. Für viele ältere Menschen gilt das nicht mehr. Es kommt immer häufiger vor, dass Ältere aus ihren Wohnungen hinausgeworfen werden: Weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können, oder weil Eigenbedarf der Vermieter geltend gemacht wird. Oft ist die Anmeldung des Eigenbedarfs dabei nur ein Vorwand, um die Wohnung gewinnbringend zu verkaufen, sobald man die alten Mieter los ist. Das gilt insbesondere in den Städten, wo die Mieten in den letzten Jahren rasant gestiegen sind.
Deshalb fordert DIE LINKE. im Bundestag: Die Kündigung über 70-Jähriger muss generell ausgeschlossen werden. Es ist nicht zumutbar und zutiefst ungerecht, nach vielen Jahren aus der Wohnung geworfen zu werden. Ältere Menschen müssen ein Recht haben, in ihren Wohnungen bleiben zu dürfen. Wir fordern, dass Kündigungen deutlich eingeschränkt werden, nämlich auf den Eigenbedarf der Eigentümer selbst. Es muss kontrolliert werden, ob die Wohnung tatsächlich für Eigenbedarf gebraucht und genutzt wird.
Der Entwurf des Berliner Mietendeckels nimmt sich dieses Problems ebenfalls an und zeigt, wie es gehen kann. Eigenbedarfskündigungen sollen grundsätzlich genehmigungspflichtig sein. Der mutige Vorschlag der linken Senatorin Katrin Lompscher könnte die Mietpreise in der von Mietenwahnsinn geplagten Hauptstadt tatsächlich stoppen und sogar senken. Das würde den Mietmarkt entspannen.
Wohnen ist ein Grundrecht
Berliner Senatorin zum Mietendeckel. Von Katrin Lompscher.
Die Eckpunkte für unseren Mietendeckel in Berlin sollen bis Mitte Oktober dieses Jahres in Gesetzesform gebracht und verabschiedet werden. Damit beschreiten wir Neuland, aber ich bin sicher, dass andere Städte unserem Beispiel folgen werden. So erwägt die neue Bremer Landesregierung im gerade beschlossenen Koalitionsvertrag die Einführung eines Mietendeckels, denn das Problem der rasant steigenden Mieten und der wachsenden Renditen der großen profitorientierten Wohnungsunternehmen ist nicht nur ein Berliner Problem.
Die Maßnahmen der Bundesregierung im Mieterschutz und bei der Stärkung des sozialen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus sind unzureichend, und es ist dringend geboten, dass wir Wege finden, den Wohnungsmarkt wieder für die Mieterinnen und Mieter in eine erträgliche Balance zu bringen.
Was heißt das konkret?
Wir wollen die Mieten für fünf Jahre einfrieren, denn noch weitere Mietsteigerungen würden viele Berlinerinnen und Berliner nicht zahlen können. Wir wollen Wuchermieten bekämpfen, indem Mieterinnen und Mieter einen Antrag stellen können, um die Miete abzusenken, wenn sie deutlich oberhalb einer festgelegten Mietobergrenze liegt. Wir wissen, dass die Umlage nach Modernisierung die Mietpreistreiberin Nummer eins ist. Deshalb wollen wir mit dem Gesetz auch regeln, dass hohe, auf die Mieten umgelegte Modernisierungskosten nicht genehmigt werden. Mit unserem Gesetz werden wir Geschäftsmodellen, die ausschließlich auf Rendite ausgerichtet sind, die Basis entziehen. Das bringt uns viel Gegenwind, aber Wohnen ist ein Grundrecht. Und wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Mittel und Wege zu finden, dieses Recht für alle Berlinerinnen und Berliner zu gewährleisten.
Katrin Lompscher ist seit Dezember 2016 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in der rot-rot-grünen Landesregierung von Berlin.