Thema Klimawandel
Klimanotstand in der Landwirtschaft
Südlich von Berlin kämpft eine Agrargenossenschaft um die Zukunft der Landwirtschaft.
Ein großer Teil der Felder ist bereits abgeerntet. Aber Jürgen Zimmermann, Vorsitzender der Agrargenossenschaft Groß Machnow, macht sich Sorgen. Auch in diesem Jahr liegt die Ernte deutlich unter dem Durchschnitt. »Mindestens 16 Prozent betragen die Verluste durch die anhaltende Trockenheit«, befürchtet Jürgen Zimmermann, »die Pflanzen stehen sehr schlecht«.
Schon im vergangenen Sommer führte die extreme Dürre zu bedrohlichen Schäden. Die Genossenschaft nahm mindestens ein Viertel weniger aus dem Anbau von Getreide ein. Und dies ist bereits das dritte Jahr in Folge, bei dem Wetterextreme auf die Umsätze drücken. »Im Jahr 2017 dezimierte der starke Dauerregen die Ernte«, berichtet Lilian Guzman.
Sie leitet zusammen mit Jürgen Zimmermann die Genossenschaft, in der 27 Menschen beschäftigt sind. Um auf den aufgeweichten Feldern überhaupt ernten zu können, mussten sie Mähdrescher mit speziellen Fahrwerken anschaffen. Höhere Ausgaben, weniger Einnahmen: Diese Tendenz darf sich nicht fortsetzen, warnen die Genossenschaftler.

Lilian Guzman (links) und Jürgen Zimmermann (Mitte rechts) von der Agrargenossenschaft Groß Machnow diskutieren mit der agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann (rechts) und Carsten Preuß (Mitte links), ehemals umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Brandenburg.
Kirsten Tackmann kennt diese Probleme. Alle landwirtschaftlichen Betriebe, die sie in Brandenburg besucht, haben mit den Klimaextremen zu kämpfen. Finanzielle Rücklagen für einen Risikoausgleich sollten zumindest steuerfrei sein, fordert die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE seit Jahren. Die Betriebe müssten sich besser gegen Schäden absichern können.
Für die Genossenschaft bringen die von der Bundesregierung gewährten Dürrehilfen nichts. Voraussetzung für eine Entschädigung wäre, dass der Ertrag mindestens 30 Prozent unter der durchschnittlichen Jahreserzeugung des gesamten Betriebes liegt und der Verlust »existenzgefährdend« ist. Schon diese letzte Anforderung benachteiligt Genossenschaften, denn für den Nachweis müssten alle 39 Genossenschaftler zustimmen, ihre privaten Einkommensverhältnisse offenzulegen, erklärt Jürgen Zimmermann.
Weil die Agrargenossenschaft sich wirtschaftlich breit aufgestellt hat, fallen die Verluste aus dem Getreideanbau bisher weniger ins Gewicht. Aber nun müssen die anderen Geschäftsbereiche das Defizit auffangen. Die Genossenschaftler betreiben eine Biogasanlage und erzeugen Solarstrom. Sie bereiten den Einstieg in den Ökolandbau vor, unterhalten Mutterkühe und eine Ferkelmast. In einem eigenen Hofladen bietet die Genossenschaft regionale Produkte an.
Kirsten Tackmann verlangt von der Bundesregierung, dass sie endlich den »Klimanotstand« anerkennt. Dies wäre eine Möglichkeit, in allen Sektoren mehr Klimaschutz zu fördern. Die Agrarförderung müsse endlich konsequent an Klimaschutz und auch an soziale Leistungen gebunden werden. Um landwirtschaftliche Flächen und Grün zu erhalten, müsse zudem dringend die Bodenspekulation verhindert werden. Die Bundestagsabgeordnete verweist auf den zersiedelten Berliner Speckgürtel, in dem auch die Genossenschaftler immer seltener zusammenhängende Flächen bearbeiten können.
Malte Daniljuk

Trockenheit im Sommer 2019
Auch in diesem Sommer lagen die Niederschläge weit unter dem Durchschnitt. Rot bezeichnet die trockensten Regionen, blau die Gebiete mit viel Regen.
Quelle: Deutscher Wetterdienst
Der Wald brennt
Hitze, kein Regen, Stürme: Es ist an der Zeit, den Klimanotstand anzuerkennen.
Der Amazonas-Regenwald in Südamerika brennt lichterloh. Die Gletscher von Island bis Indien schmelzen ab. In Ostafrika leiden zehntausende Familien an Dürre-Hunger. Inselbewohner in Ozeanien suchen sich neue Häuser auf dem Festland, weil ihre Heimat im Ozean versinkt. In Deutschland werden die Deiche erhöht. Das Geschäft mit Klimaanlagen boomt.
Ein Jahr nach dem anderen bringt einen neuen, historischen Hitze-Rekord, egal ob in Berlin oder Bayern. Am 25. Juli 2019 wurde an mehreren deutschen Wetterstationen die 40-Grad-Marke geknackt. Dabei ist nicht nur die hohe Temperatur extrem, sondern auch die Ausdauer des Tropenklimas und ihre Ausbreitung: Die Hitze bleibt immer länger, die jetzigen 40 Grad gab es drei Tage am Stück, und das gleichzeitig an mehreren Orten.
Schließlich wurde in Lingen im Emsland der deutsche Allzeithitzerekord von 42,6 Grad gebrochen. Die Klimakrise ist in ganz Europa angekommen. Auch in Spanien, Frankreich und in Skandinavien grillte eine nie dagewesene Rekordhitze Mensch, Natur und Tier. Neue nationale Hitzerekorde wurden in Großbritannien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg aufgestellt.
Ist das der Klimawandel oder doch nur »heißes Wetter«? Die Experten vom Deutschen Wetterdienst (DWD) sind sich einig: Die Auswertung der Stationen zeigen »eine Abweichung von der internationalen Referenzperiode 1961 bis 1990 im Juli 2019 im Deutschlandmittel um zwei Grad«. Der Sommer belegt laut Meteorologen »also schon jetzt deutlich, dass der Klimawandel weiter an Fahrt aufgenommen hat«.
Eine Analyse durch die Superrechner des WWA-Forschungsnetzwerkes zur Berechnung des Zusammenhangs von Wetter und Klima ergab, dass das Ausmaß der Juli-Rekordhitze »ohne den Klimawandel extrem unwahrscheinlich« gewesen wäre.
Für die Fraktion DIE LINKE muss es jetzt ganz klar heißen: Klimanotstand für Deutschland anerkennen! Der Klimaschutz muss ganz oben auf die politische Agenda. Sofortmaßnahmen bei Hitze für die Menschen, wie das Aufstellen kostenloser Wasserspender. Kostenfreier Schwimmbadbesuch für Haushalte mit geringem Einkommen. Energiekonzerne verstaatlichen und den baldigen Kohleausstieg, sozial abgesichert. Außerdem einen öffentlich finanzierten kostenlosen Bus- und Bahnverkehr in den Städten.
Lorenz Gösta Beutin ist klima- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE