DIE LINKE kann nicht zur Tagesordnung übergehen, so die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch.

Dietmar Bartsch ist seit Oktober 2015 Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Foto: Olaf Krostitz

Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen waren für uns alle ein Desaster. Ein politisches »Weiter so« darf es deshalb nicht geben. DIE LINKE befindet sich in einer schweren Krise. Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Auch wir als Fraktion müssen in die Partei hören, die Erfahrungen aus den Wahlkämpfen einbeziehen. Dafür müssen unsere Landes- und die Kommunalpolitiker bei uns Gehör finden, ihre Erfahrungen sollten wir aufgreifen. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl müssen wir Grundfragen der strategischen und inhaltlichen Ausrichtung diskutieren und teilweise neu beantworten. Nur so schaffen wir es gemeinsam zurück in die Erfolgsspur. Dass dies möglich ist, beweist nicht nur Bremen, wo wir jetzt erstmals in einem westdeutschen Bundesland mitregieren. Für viele Menschen war bei dieser Wahl das Thema soziale Sicherheit ausschlaggebend. Warum erreichen wir nicht mehr diejenigen, für die dieses Thema wahlentscheidend ist? Bereits bei der Europawahl im Mai war das Thema wichtig. Trotzdem waren wir nicht in der Lage, die Wähler für uns zu gewinnen. Im Gegenteil: Wir verlieren diejenigen, die auf dieses Thema angewiesen sind, die »Normalos« in diesem Land. Wir müssen uns fragen, warum wir das Vertrauen von vielen früheren Wählerinnen und Wählern verloren haben.


»Wir müssen die Fraktion und Partei sein, die den Menschen, die sich sorgen, Antworten liefert: Da sind wir weiter in der Bringschuld. Unsere politische Aufgabe ist heute größer und nicht kleiner als je zuvor.«  Dietmar Bartsch


Sowohl im Osten als auch zuletzt bundesweit bei der Europawahl. In Brandenburg erreichten wir nur noch acht Prozent der Arbeiter, die AfD liegt dort bei 44 Prozent. Wir verlieren bei den Beschäftigten und überproportional bei den Rentnerinnen und Rentnern. Diese Entwicklung darf sich nicht fortsetzen. Es ist immer eine Niederlage für eine linke Partei, wenn die Rechte stark wird.

Unsere sozialpolitische Programmatik ist für die Mehrheit in diesem Land geschrieben. Von ihr würden kleine und einfache Leute profitieren, die zum Niedriglohn malochen, diejenigen, die Angst haben vor Altersarmut, und solche, die sich abstrampeln müssen, um etwas Wohlstand halten zu können. Also diejenigen, die unzufrieden sind und von der herrschenden Politik im Stich gelassen werden. Genau für diese Menschen ist DIE LINKE gegründet worden. Aber offensichtlich finden zu viele dieser Wählerinnen und Wähler unser Angebot nicht überzeugend, weil wir uns von ihnen politisch und kulturell entfernt haben. Wenn wir diese Schichten nicht mehr erreichen, machen wir etwas falsch und nicht die Wähler. Die vergangenen Wahlergebnisse zeigen, dass wir unserem Gründungsauftrag kaum noch gerecht werden.

Wir müssen die Fraktion und Partei sein, die den Menschen, die sich sorgen, Antworten liefert: Da sind wir weiter in der Bringschuld. Unsere politische Aufgabe ist heute größer und nicht kleiner als je zuvor. Nicht wegen der AfD. Sie ist ein Symptom. Unsere zentrale Aufgabe ist es, die Ursachen zu bekämpfen. Inzwischen leben mehr Kinder in Armut, arbeiten mehr Menschen im Niedriglohnbereich, sind mehr von Altersarmut betroffen, geht die Tarifbindung im Osten zurück, erodiert das Sicherheitsgefühl vieler in allen Regionen des Landes. Wir beklagen dies. Aber das reicht den Wählerinnen und Wählern zusehends nicht.

Um es klar zu sagen: Wenn wir so weitermachen, werden wir die kommende Bundestagswahl verlieren – trotz einer desolaten Großen Koalition. Der Rückhalt in der Bevölkerung für die beiden früheren Volksparteien ist mit gut 40 Prozent so gering wie nie. Es ist unsere Verantwortung und Pflicht, gerade in diesen Zeiten eine glaubwürdige linke Alternative für soziale Sicherheit und für eine friedliche Außenpolitik zu sein. Unsere Funktion ist deshalb ziemlich klar. Sie darf sich nicht auf eine Kritik an der AfD beschränken.


»Um es klar zu sagen: Wenn wir so weitermachen, werden wir die kommende Bundestagswahl verlieren – trotz einer desolaten Großen Koalition.«  Sahra Wagenknecht


Wir müssen ein überzeugendes Angebot machen, den Kampf für eine soziale Regierung aufnehmen, die zum Ziel hat, das Leben der Menschen wieder zu verbessern. Dafür müssen wir im Bereich Arbeit und Wirtschaft Ideen liefern, müssen im Bereich der sozialen Sicherheit Vorreiter werden.

Sahra Wagenknecht leitet die Fraktion gemeinsam mit Dietmar Bartsch. Foto: Benjamin Zibner

Wofür stehen wir? Eine Politik für gute Löhne und einen Mindestlohn von 12 Euro, deutlich höhere Renten und Sicherheit im Alter, Schutz vor Arbeitslosigkeit, Kampf gegen Kinderarmut, gegen explodierende Mieten, ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin, eine große Steuerreform, die den obszönen Reichtum heranzieht, um in die marode Infrastruktur zu investieren, unter der immer mehr Menschen leiden, und einen effektiven Klimaschutz mit einem Anti-CO2-Plan ohne höhere Verbrauchssteuern. Das ist unser eigentliches politisches Profil. Damit müssen wir unsere klassischen Zielgruppen wieder erreichen. Dazu gehört, sich von deren Lebensrealität nicht weiter zu entfernen und ihre Sprache zu sprechen, damit wir glaubwürdig zeigen, dass wir ihre Probleme ernstnehmen. So könnten wir Menschen in diesen Zeiten wieder Sicherheit, Halt und Vertrauen geben, weil wir glaubwürdig signalisieren, dass wir in der Lage wären, ihr Leben zum Besseren zu verändern. Darum muss es uns gehen. Dieses politische Angebot müssen wir in das Schaufenster unserer Politik stellen. Die Zustimmungswerte zu diesen Forderungen zeigen, dass dies eine populäre Politik wäre.

Jetzt geht es in Thüringen für uns gemeinsam ums Ganze. Wir wollen und werden unseren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow verteidigen. Anschließend braucht es eine Neuausrichtung der LINKEN, damit sie bundesweit in die Erfolgsspur zurückkehrt.

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