Die Corona-Krise verschärft die finanziellen Probleme dort, wo ohnehin angespannte Verhältnisse herrschen. Die Kluft zwischen armen und reichen Gemeinden droht sich zu vertiefen.

Katja Wolf ist seit 2012 Oberbürgermeisterin von Eisenach. Schon damals war die Stadt pleite. Schultoiletten konnten nicht repariert und Turnhallen mussten gesperrt werden. Alle Ausgaben, die nicht per Gesetz festgeschrieben sind, kann die Stadt nicht mehr finanzieren. Trotzdem wurde die Linke – obwohl sie Steuern und Abgaben erhöhen musste – in ihrer Stadt wieder zur Oberbürgermeisterin gewählt.

Die Linksfraktion im Bundestag hatte Katja Wolf eingeladen, damit sie vor dem Haushaltsausschuss über die Corona-Folgen für ihre Kommune berichtet. Das klamme Eisenach ist von der Corona-Krise besonders hart betroffen. Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit nehmen zu, und die Einnahmen aus der Gewerbesteuer brechen ein. Allein im vergangenen Jahr gingen 3.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Die Arbeitslosigkeit ist in einem Jahr von 5,2 Prozent auf 8,7 Prozent gestiegen. Schon im vergangenen Jahr machten die Sozialkosten 55 Prozent der Gesamtausgaben in der Stadt aus.

Die Bundesregierung will zusammen mit den Ländern etwa 11 Milliarden Euro ausgeben, um den Ausfall bei der Gewerbesteuer zu kompensieren. Der pauschale Ausgleich gilt allerdings nur für das Jahr 2020. Schon jetzt ist klar, dass die Corona-Krise nicht am 31. Dezember 2020 beendet sein wird. Der Städtetag geht bereits davon aus, dass auch in den Jahren 2021 und 2022 Hilfen für die Kommunen notwendig sein werden. Doch der Einbruch der Gewerbesteuer ist nur ein Teil des Problems. Katja Wolf weist den Ausschuss darauf hin, dass die Stadt auch einen Ausfall bei Gebühren sowie bei der Einkommens-, Übernachtungs- und der Sondernutzungssteuer hat. Das macht die Hälfte aller Mindereinnahmen aus. Dafür gibt es keine Kompensation.

Schluss mit der Flickschusterei

Die Kommunen sollen auch bei den Kosten der Unterkunft stärker durch den Bund unterstützt werden. Der Bund wird zukünftig bis zu 74 Prozent der Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende übernehmen. Bisher waren es maximal 49 Prozent. Doch es geht nicht nur um Arbeitslose: Auch Facharbeiter, die den ganzen Tag bei Autozulieferern in Eisenach am Band stehen, bekommen in der Stunde nur einen Lohn von 11 Euro. Sie müssen ihren Lohn aufstocken, damit sie sich ihre Wohnung noch leisten können.

Eisenach ist aber kein Einzelfall. In Deutschland sind rund 2.000 Kommunen so verschuldet, dass es ihnen regelrecht die Luft abschnürt. Andererseits gibt es reiche Gemeinden, wie Frankfurt am Main, die sich weiterhin über gute Gewerbesteuereinnahmen freuen können. Wenn die Bundesregierung die Corona-Milliarden mit der Gießkanne über die Kommunen ausschüttet, wird sich nichts grundsätzlich ändern.

Da setzt auch meine Kritik an. Die Bundesregierung betreibt Flickschusterei. Jetzt wäre es an der Zeit, die Spaltung unseres Landes in reiche und arme Kommunen aufzuheben. Wäre es nicht sinnvoll, die 2.000 verschuldeten Städte und Gemeinden von ihren Altschulden zu befreien, ihnen Luft zum Atmen zu geben? Das ist nicht nur eine finanzielle Frage. Es geht auch um die Rettung der Demokratie! Wenn die Menschen immer wieder feststellen, dass die Stadträte nur die Armut verwalten und kein Geld haben, um einfachste Probleme zu lösen, dann zweifeln sie an der Demokratie.

Solidarische Finanzreform überfällig

Deshalb ist es so wichtig, den Kommunen die Handlungsfreiheit zurückzugeben. Dafür reicht es nicht, den Finanzausfall halbherzig auszugleichen. Wir brauchen einen solidarischen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die von der Bundesregierung geplante Entlastung der Städte und Gemeinden wird nicht ausreichen, um die Ausfälle zu kompensieren. Das sagte auch Professor Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bei der Anhörung. Er sprach von einer Investitionskrise und forderte – wie die Fraktion DIE LINKE – einen Investitionsfonds. Aber auch das reicht nicht aus.

Der Anteil von Fördermitteln an der Finanzierung kommunaler Investitionen ist von 19 Prozent im Jahr 2016 auf schon 27 Prozent in 2018 gestiegen. Mit jedem weiteren Förderprogramm wächst die Abhängigkeit der Städte und Gemeinden von Bund und Ländern. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Die Kommunen werden so zum Anhängsel von Bund und Ländern.

Ein im Jahr 2015 aufgelegter Förderfonds für finanzschwache Kommunen musste bis Ende 2020 und dann bis 2022 verlängert werden, weil das Geld nicht abfloss. Im Dezember 2019 war er fast noch zur Hälfte gefüllt. Das Saarland und Rheinland-Pfalz, aber auch Hessen hatten die verfügbaren Fördermittel gerade mal zu gut einem Drittel angerührt, Mecklenburg-Vorpommern sogar nur zu rund 21 Prozent. Viele Kommunen sind mit den unzähligen Förderprogrammen überfordert. Ihnen fehlt schlicht Personal und Geld, um die Anträge fachgerecht auszufüllen. Wir brauchen keine neuen Förderprogramme, wir brauchen eine ordentliche Finanzausstattung der Kommunen. Doch die Bundesregierung hat weder die Kraft noch den Willen zu einer solidarischen Finanzreform.

Gesine Lötzsch ist haushaltspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Katja Wolf, Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach, und Gesine Lötzsch am Rande der öffentlichen Anhörung im Bundestag am 7. September 2020.

Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre

Die Corona-Krise ist der schwerste Wirtschaftsschock seit der Großen Depression. Es war nötig, staatliche Kredite aufzunehmen, um die Wirtschaft zu stützen. Denn wenn Unternehmen sterben und Jobs vernichtet werden, wird die Krise noch teurer. Derzeit bekommt der Staat das Geld zu negativen Zinsen. Wir müssen also weniger zurückzahlen, als wir uns leihen.

Zudem kann die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem neuen Anleiheprogramm quasi unbegrenzt Staatsanleihen kaufen und so die Zinsen niedrig halten. Denn die EZB kann in Euros nie pleitegehen, da sie diese per Knopfdruck selbst schaffen kann. Was schlecht für Kleinsparer ist – niedrige Zinsen –, ist gut für den Finanzminister.

Allerdings steht weiterhin die Schuldenbremse im Grundgesetz, auch wenn sie wegen der Corona-Krise ausgesetzt wurde. Mit der Schuldenbremse darf der Staat – vereinfacht gesagt – fast gar keine Kredite aufnehmen, auch nicht, um in die Zukunft zu investieren. Damit droht der Kürzungshammer nach der Wahl, denn die Kredite sollen in den nächsten 20 Jahren zurückgezahlt werden.

Wir brauchen deshalb eine Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre wie die Quandts und Klattens. Sie haben in der Krise trotz Kurzarbeit noch über 700 Millionen Euro BMW-Dividende kassiert. Auch Amazon & Co. konnten mit dem Online-Handel ihre Marktmacht ausbauen. Daher müssen auch die Profite von Krisengewinnern abgeschöpft werden.

Damit nicht wieder die »kleinen Leute«, die den Laden in der Krise am Laufen hielten, die Rechnung zahlen!

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE
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