Unerträgliche Hitze trifft auf fehlende und zerstörte Infrastruktur. In den ölreichen Regionen fehlen Trinkwasser und Strom.
Ende Juli herrschten in vielen Städten des Nahen und Mittleren Ostens Temperaturen, die bis zu 10 Grad über dem gewöhnlichen Durchschnitt lagen. Mit 51,8 Grad brach Bagdad den Rekordwert von 51 Grad aus dem Jahr 2015. In Damaskus wurden 46 Grad gemessen. Ein 2017 von den Vereinten Nationen veröffentlichter Bericht geht davon aus, dass sich die Temperaturen in der Region bis zum Ende des Jahrhunderts noch deutlich erhöhen werden.
Eine solche Hitze ist für Mensch und Tier lebensbedrohlich. In der Region treten nicht nur immer häufiger Hitzewellen und Dürreperioden auf. Durch den Klimawandel verursachte Überflutungen gefährden zudem die Nahrungsmittelversorgung, sowohl in den betroffenen Ländern als auch global gesehen. Landwirtschaftliche Nutzflächen und Lebensräume werden nachhaltig geschädigt oder ganz zerstört.
Klimakatastrophe heizt Konflikte an
Natürlich verschärft diese Entwicklung die Konflikte, sowohl innerhalb von Staaten als auch zwischen ihnen. Wenn auch als alleiniges Erklärungsmuster kaum haltbar, hat die These von US-Wissenschaftlern im Fachblatt PNAS doch einen wahren Kern: Eine jahrelang andauernde Dürreperiode in Syrien habe die Proteste im Jahr 2011 ausgelöst. Die Trockenheit ließ die Landbevölkerung verarmen, nahm ihr die Lebensgrundlage und verstärkte die Landflucht massiv.
In die Peripherien der Städte geflüchtete Menschen konkurrierten dort mit einer Million irakischen Flüchtlingen um Jobs, Wohnraum, Nahrung und Trinkwasser und konnten vielfach ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten. Neben politischen Gründen und den Auswirkungen einer neoliberalen Politik verstärkte das entstandene Elend die Unzufriedenheit und Bereitschaft, sich an den Protesten zu beteiligen.
Auch im Irak spielt die zunehmende Zerstörung der Lebensgrundlagen – neben Korruption – eine gewichtige Rolle bei den seit Jahren stattfindenden Massendemonstrationen. Einer von fünf Irakern hat keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser, in manchen Städten ist Strom nur zwei Stunden pro Tag verfügbar. Seit Jahrzehnten sinkt der Wasserspiegel von Euphrat und Tigris, während der Salzgehalt im Persischen Golf ansteigt und Flüsse sowie Böden versalzen.
Elend trotz Erdölreichtum
Im Jahr 2018 mussten im ölreichen Basra 120.000 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil sie verseuchtes Wasser getrunken hatten. Natürlich fragen sich die Menschen, warum trotz des Reichtums an Rohstoffen der Versorgungsknappheit nicht beizukommen ist. Ein Grund ist die fraglos vorhandene Korruption und der Klientelismus. Sie werden durch das von der US-Besatzung eingeführte konfessionell ausgerichtete Regierungssystem bedingt. Aber auch die Verschwendung von Wasser sowie Umweltverschmutzung durch Plastikmüll spielen eine Rolle.
Im Irak wie auch in Syrien zeigt sich: Während auch andere Regionen der Welt vom Klimawandel betroffen sind, können dessen Folgen weit besser bewältigt werden, wenn intakte Infrastrukturen vorhanden sind. Im Irak allerdings wurden diese im Angriffskrieg von 2003 zerstört. Wasseraufbereitungs- und Kläranlagen wurden von der US-Armee gezielt bombardiert.
Krieg und Sanktionen zerstören die Lebensgrundlage
Die »Zivilverwaltung« unter Paul Bremer löste soziale, politische und gesellschaftliche Strukturen im Land auf. Eine von den Besatzungstruppen aufgezwungene neoliberale Politik tat ihr Übriges. Westliche Regierungen hatten jahrzehntelang Sanktionen verhängt, sowohl gegen den Irak als auch gegen Syrien. Auch sie haben die Grundlage für die aktuelle Katastrophe gelegt und verhindern im Falle Syriens einen effektiven Wiederaufbau bis heute.
Militär und Kriege gehören zu den Top-Umweltzerstörern. Die Leidtragenden sind Flüchtlinge, die sich aufgrund der Zerschlagung ihrer Lebensgrundlagen erst auf den Weg machen oder auf der Flucht vor Hitze und Überschwemmungen am allerschlechtesten geschützt sind. Allein den Südirak haben in den letzten Jahren Zehntausende Menschen wegen der Wasserkrise verlassen. Die Weltbank schätzte 2018, dass bis zum Jahr 2050 über 140 Millionen Menschen wegen Dürre, zerstörter landwirtschaftlicher Nutzflächen, Sturmfluten und Missernten aus ihrer Heimat flüchten werden. Greenpeace ging 2014 gar von 200 Millionen in den nächsten 30 Jahren aus.
Zaklin Nastic ist Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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Im Flüchtlingslager Khanke (Irak) arbeiten Helfer von UNICEF mit den Kindern.

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Den Wiederaufbau unterstützen
Die Auswirkungen der Klimakrise werden für Mensch, Natur und Landwirtschaft immer dramatischer. Konflikte um Wasser, anhaltend hohe Temperaturen, Dürreperioden und extreme Stürme häufen sich und betreffen alle Menschen weltweit. Doch für Menschen in den Ländern des Südens, die neben der Klimakatastrophe auch von Krieg betroffen sind, ist die Situation verheerend.
In Syrien und im Irak liegt die Infrastruktur am Boden. Jahrzehntelange Sanktionen, Regime-Change-Kriege der NATO und neoliberale Strukturanpassungsmaßnahmen des Westens haben Wirtschaft und Infrastruktur im Irak und in Syrien so weit zerstört, dass die beiden Länder kaum mehr dazu in der Lage sind, mit den Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Land auch nur annähernd umzugehen. Gleichzeitig heizen die Kriege und Militärinterventionen das Klima weiter auf. Krieg und Klimaschutz gehen nicht zusammen. Die Eindämmung der Klimakatastrophe kann nur durch eine aktive Friedenspolitik und die Umsetzung der von UN-Generalsekretär António Guterres geforderten globalen Waffenruhe, durch den sofortigen Stopp aller Bombardierungen von allen Kriegsparteien gelingen. Die tödlichen Wirtschaftssanktionen treffen nicht nur die Bevölkerung, sondern verhindern auch dringend benötigte Klimaanpassungsmaßnahmen in diesen Ländern. Aus gutem Grund fordert die Fraktion DIE LINKE seit Langem von der Bundesregierung, diese Wirtschaftssanktionen endlich zu beenden und den Wiederaufbau in Syrien zu unterstützen.