In Bremen leitet Claudia Bernhard das Gesundheitsressort. Die Senatorin aus der Partei DIE LINKE spricht über ein Jahr Corona-Krise und linke Gesundheitspolitik.
Das Zentrum der Bremer Gesundheitspolitik befindet sich im Bahnhofsviertel in einem unscheinbaren Bürohochhaus. Hier hat man einen schönen Blick auf die Innenstadt. Claudia Bernhard ist in dem kleinen Bundesland seit August 2019 für Gesundheit zuständig.
Ihrem Büro ist anzusehen, dass hier richtig gearbeitet wird. „Das Virus schläft nicht“, mahnt die Senatorin im Gespräch mit klar. Gerade lässt sie an sämtliche Haushalte im Bundesland FFP2-Masken verschicken – per Post. Das ist nicht auf eine Zielgruppe reduziert, erklärt sie: „Das kriegen wirklich alle.“
Die Aktion der linken Gesundheitssenatorin ist bisher bundesweit einmalig. „Mecklenburg-Vorpommern zieht gerade nach, die verschicken jetzt auch“, bemerkt Bernhard mit einem leichten Lächeln. Im Herbst habe man schlechte Erfahrungen gemacht, als die Masken über Apotheken ausgegeben wurden. „Da haben wir geguckt: Wer macht das am schnellsten? Und das ist in zwei, drei Wochen umgesetzt worden.“ Schnelligkeit und Effizienz liegen der ehemaligen Teamleiterin und Betriebsrätin offensichtlich. In der Corona-Krise können sie über Leben und Tod entscheiden.
Ursprünglich kommt Claudia Bernhard nicht aus der Gesundheitspolitik. Früher waren Wirtschaft und Arbeit ihre Schwerpunkte, dann Wohnen und Mieten. „Ich hatte nicht viel Zeit, mich einzuarbeiten“, stellt sie nüchtern fest. Wenige Monate nach ihrem Amtsantritt begann die Corona-Krise und schleuderte das Ressort in den Mittelpunkt der Politik. „Die erste Testung in einer Corona-Ambulanz war vor fast einem Jahr, am 9. März.“ Und Bremen ist mit der linken Gesundheitssenatorin bisher gut durch die Krise gekommen.
Sie lobt die Kooperation zwischen den Krankenhäusern. Bremen habe keinen großen Anteil von Privatkrankenhäusern, das sei eine sehr positive Ausgangssituation. Schwierig war hingegen der Austausch „mit der Bundesebene“, wie sie das Ministerium von Jens Spahn nennt. So seien die Zuschüsse für neu einzurichtende Intensivbetten viel zu gering gewesen. Momentan läuft das Impfzentrum nur schleppend, das Bernhard zusammen mit Bremer Unternehmen schnell an den Start brachte: „Aktuell bekommt niemand genügend Impfstoff.“
Ihr Haus verankerte im vergangenen Jahr eine sehr effiziente Teststrategie. „Wir haben sehr viel Personal aufgebaut, über 200 Köpfe im Gesundheitsamt.“ Die zweite Ansteckungswelle traf das Bundesland an der Weser trotzdem mit voller Wucht. Bis Weihnachten habe man das jedoch sehr gut in den Griff gekriegt, meint Claudia Bernhard rückblickend. „Vor allem auch, weil die Nachverfolgung wieder 100 Prozent erreicht hat.“
Die gute Nachverfolgung hilft auch, immer wieder auftretende lokale Ausbrüche einzudämmen. „In ein, zwei Betrieben hatten wir gerade massiv Infektionen, im Fischereihafen. Schön kühl, Virus freut sich“, so ihr abgeklärter Kommentar. Ihr ist anzumerken, dass auch sie auf ein baldiges Ende der Corona-Welle hofft. Nicht zuletzt, um sich wieder der eigentlichen Gesundheitspolitik zuwenden zu können.
Bei ihrem Amtsantritt sei lange klar gewesen, dass der Gesundheitsbereich „total unterfinanziert“ ist und bestimmte Fehlanreize schafft. „Da werden Dinge belohnt, die wir nicht unbedingt brauchen“. Sie nennt es die „eigentlich wesentliche Herausforderung“. Das waren die Schwerpunkte, mit denen man angefangen habe: „Wie kriegen wir unsere kommunalen Kliniken aufgestellt, wie kriegen wir die Gesundheitsversorgung in den Stadtteilen geleistet?“ Und dann kam Corona.
Sie hofft, bis zum Ende der Legislaturperiode trotzdem noch eines ihrer Lieblingsprojekte umsetzen zu können, ein Gesundheitszentrum in Gröpelingen, im Bremer Westen. Der Stadtteil ist für die niedrigen Einkommen seiner Bewohner und die hohe Migrationsquote bekannt, ein sogenannter Problemstadtteil. Dafür hat sie im Senat sofort nach ihrem Amtsantritt die Finanzierung erkämpft. Medizinische Versorgung, Sozialberatung, ein Hebammenzentrum – alles unter einem Dach. „Breit aufgestellt, für die Bevölkerung vor Ort“, beschreibt Claudia Bernhard ihren gesundheitspolitischen Ansatz.
Bis auf Weiteres muss sie das Gesundheitszentrum nebenbei vorantreiben. Doch auch bei Corona hilft ein enger Kontakt mit der Bevölkerung. „Bremen impft“, eine gemeinsame Initiative der Stadtgesellschaft, baute das Impfzentrum. Über die Handelskammer hat Claudia Bernhard Betriebe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe eingebunden. „Wir wollen, dass hier flott durchgeimpft wird“, so das gemeinsame Interesse. Viele Betriebe seien durch den Lockdown nicht ausgelastet. Ihre Mitarbeiter betreiben das Callcenter, die Homepage, sie helfen beim Messebau, der Einrichtung und am Empfang. „Wir packen unsere Kräfte zusammen“, so Bernhard.
In wenigen Minuten muss sie in die nächste Besprechung, natürlich ein Onlinemeeting. Sie will erreichen, dass die Einladung zum Impfen über die Krankenkassen erfolgt. „Die AOK würde das sofort machen. Das ist auch eine Landeskrankenkasse.“ Die anderen Kassen seien jedoch über den Bund gesteuert. „Die sagen, die aktuelle Corona-Impfverordnung gibt das rechtlich nicht her.“ Sie wirkt gereizt, Verzögerungen sind ihre Sache nicht. „Das wäre ein schneller und effizienter Weg, nur die Krankenkassen verfügen über die notwendigen Daten“, erklärt sie stirnrunzelnd und schiebt mit einem Lächeln hinterher, sie sei ganz zuversichtlich, dass ihre Regelung durchkommt.
Reinhard Schwarz & Olaf Krostitz

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard im Gespräch mit klar

Die Hilfsorganisation Malteser hat einen Einsatzraum im Impfzentrum der Initiative “Bremen hilft”.
