Die Solargenossenschaft SoGeLa praktiziert die Energiewende in der Lausitz am Rand eines Tagebaus.

Das Dorf Kerkwitz in der Niederlausitz gründete im Jahr 1908 seine Freiwillige Feuerwehr. So steht es über dem Tor am Spritzenhaus aus Backstein. Kurz vor ihrem 100. Jubiläum verkündete die Politik das Todesurteil für die Wehr und den Ort. Der Kohleförderer Vattenfall entschied im Jahr 2007, seinen Tagebau Jänschwalde nach Norden zu erweitern. Kerkwitz wäre, wie zwei weitere Dörfer und etliche Ortsteile, für die Braunkohle weggebaggert worden.

In der Region flammte Widerstand auf. Zwei Zeugnisse davon sind noch heute am Spritzenhaus von Kerkwitz zu besichtigen: ein Plakat mit einem gelben X und der Devise „Wir wehren uns!“ – sowie eine Solaranlage, deren Paneele auf dem Dach in der Sonne blitzen. „Wir wollten der Kohle etwas entgegensetzen“, sagt Matthias Bärmann, Architekt aus der Kleinstadt Guben, die ebenfalls von dem Tagebau in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Weil aber, wie er hinzufügt, „meckern allein auch nicht hilft“, gründeten er und zunächst neun Mitstreiter eine Solargenossenschaft.

Sie wollten beweisen, dass man nicht Braunkohle verfeuern muss, um Strom zu erzeugen. Im Bündnis mit der Sonne begannen sie quasi am Rand des Tagebaus demonstrativ für die Energiewende zu arbeiten. Der Widerstand hätte auch individuell organisiert werden können. Eine Solaranlage kann sich jeder Hauseigentümer aufs Dach schrauben lassen. Bärmann & Co entschieden sich für die Gründung einer Genossenschaft.

Das sei eine „urdemokratische“ Form gemeinsamen Wirtschaftens, sagt der Elektromeister und Mitgründer Udo Schmidt: „Jeder hat genau eine Stimme, unabhängig davon, wie viel Geld er einbringt.“ Jeder Bürger, der Interesse hatte, sollte mittun können, fügt Bärmann hinzu: „Das stärkt den Kohlewiderstand.“ Im Juli 2009 wurde die Solargenossenschaft Lausitz eG (SoGeLa) beim Amtsgericht Cottbus ins Genossenschaftsregister eingetragen. Die erste eigene Anlage ging zwei Monate später im Dorf Groß Gastrose auf dem Dach eines kleinen Mietshauses ans Netz. „Genau einen Tag nach der Bundestagswahl“, erinnert sich Schmidt.

Zwölf Jahre und drei Wahlperioden später ist die Genossenschaft etabliert. Sie betreibt mittlerweile 20 Solaranlagen, die in Guben und Umgebung auf Wohnhäusern und Kindergärten, dem Dach der Feuerwehr in Kerkwitz und dem Bettenhaus des Gubener Krankenhauses installiert sind. Aus zehn Mitgliedern sind 180 geworden, die insgesamt fast 2000 Anteile halten. Deren Preis wurde mit 250 Euro bewusst niedrig angesetzt, damit auch Menschen mit wenig Vermögen eintreten können. Die Genossinnen und Genossen kommen nicht nur aus der Umgebung, sondern auch aus anderen Teilen der Republik, „von Bayern bis Friesland“, sagt Bärmann. Viele halten nur einen oder zwei Anteile. „Ihnen geht es vor allem darum, die Genossenschaft zu stärken“, glaubt Bärmann, inzwischen Vorsitzender der SoGeLa. „Sie wollen ein Stück weit die Welt verbessern.“

Für die Gründung der Genossenschaft mögen umweltpolitische Motive den Ausschlag gegeben haben. Grundsätzlich aber ist sie ein Wirtschaftsunternehmen. „Für uns sind Ökonomie und Ökologie gleichermaßen wichtig“, sagt Bärmann. Die SoGeLa-Anlagen erzeugen Strom, der teils direkt verbraucht und teils ins Netz eingespeist wird. Die Vergütung ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt. Das rechnet sich: Für 2019 weist der Geschäftsbericht einen Gewinn von über 114.000 Euro aus, im Jahr zuvor knapp 93.000 Euro. Über die Jahre investierte die Genossenschaft Überschüsse teils in neue Anlagen. Gewinne schüttet das Projekt an die Mitglieder aus.

Das in der Lausitz praktizierte Modell ist auch andernorts in der Bundesrepublik populär. Zwar sei die SoGeLa eine der ersten Energiegenossenschaften gewesen, so Vorstandsmitglied Udo Schmidt. Mittlerweile jedoch gibt es 843 solcher Genossenschaften mit rund 200000 Mitgliedern, ergibt eine Nachfrage bei der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV). Sie spielen damit eine wichtige Rolle beim Ausbau einer sicheren und erneuerbaren Energieversorgung, lautete die Bilanz auf deren virtuellem Bundeskongress Ende Februar.

Energiegenossenschaften könnten freilich noch eine größere Rolle spielen, wenn die Bundespolitik die Bedingungen für sie verbessern würde. Die Anfang 2021 in Kraft getretene EEG-Novelle werde dazu führen, dass „Bürgerenergieprojekte aus der Mitte der Energiewende verdrängt werden“, fürchtet DGRV-Vorstand Eckardt Ott. „Das ist nicht gut für die Akzeptanz.“ Der Grund sei eine Regelung, der zufolge bei Solaranlagen mit einer Leistung ab 300 Kilowatt peak (kWp) nur noch die Hälfte des erzeugten Stroms nach dem EEG vergütet wird. Der Rest muss selbst verbraucht oder verkauft werden – zu Preisen, die derzeit im Keller sind.

Alternative sei die Beteiligung an einer Ausschreibung, was aber große Anbieter bevorteile. Nach Angaben des DGRV sind 80 Prozent der Energiegenossenschaften in der Photovoltaik aktiv. Für die Bundestagswahl im September hat die Bundesgeschäftsstelle sieben Forderungen aufgestellt, die Energiegenossenschaften auf dem Markt „fördern und stärken und nicht weiter ausschließen“ sollen. Bei der SoGeLa wünscht man sich vor allem verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen. Für im Ehrenamt tätige Vorstände sei es schwierig, sich permanent in neue Regularien einzuarbeiten, sagt Schmidt. Auch er hat den Eindruck, die Politik versuche zu verhindern, dass Strom in Bürgerhand kommt. „Da geht es um Macht, und die haben nicht wir.“

Dennoch behauptet sich die Genossenschaft. Als nächstes sollen neue Anlagen auf einem Bildungszentrum in Cottbus sowie auf einer Kirche im sorbischen Schleife installiert werden. Zudem hofft man auf ausreichend Sonne für bestehende Anlagen wie die bei der Feuerwehr in Kerkwitz. Sie kann noch lange Strom liefern. Im Jahr 2017 entschied der jetzige Tagebaubetreiber Leag, die Grube Jänschwalde nicht zu erweitern. Kerkwitz bleibt von den Baggern verschont.

Hendrik Lasch

Das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr in Kerkwitz liefert Strom für die Gemeinde.
Matthias Bärmann, Architekt aus Guben: “Man muss keine Braunkohle verfeuern, um Strom zu erzeugen.”
Elektromeister Udo Schmidt: “Eine urdemokratische Form, gemeinsam zu wirtschaften.”
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Energiewende nicht den Konzernen überlassen

Ökostrom kommt nicht aus der Steckdose. Windräder, Solardächer, Wasserkraftwerke und Biogasanlagen garantieren eine Energiegewinnung, ohne das Klima zu zerstören. Die Energiewende beginnt mit dem Traum, die Stromproduktion zu demokratisieren. Von der Ostsee bis zu den Alpen gründeten Bäuerinnen, Dorfbewohner, Kleininvestoren Hunderte Energiegenossenschaften. Ohne ihr Engagement für sauberen Strom wäre es nicht denkbar, sich von Atom- und Kohlekraftwerken zu verabschieden. Die Energiewende ist auch eine Wende für Energie in den Händen der Bürgerinnen und Bürger.

Heute erleben wir, wie die Energiewende durch Großunternehmen und Finanzinvestoren gekapert wird. Verdienten RWE, Eon und Co solange wie möglich an Atom, Kohle und Gas, so steigen sie dieser Tage ins Ökogeschäft ein. Die Bundesregierung leistet Schützenhilfe: Sie hat zahlreiche Gesetze eingeführt, die Bürgerenergien ausbremsen und den Konzernen frischen Wind in die Segel blasen. Seit dem Jahr 2017 eingeführten Bieterverfahren haben Energiegenossenschaften es schwerer, den Zuschlag für subventionierten Ökostrom zu bekommen. Die Großen machen das Rennen.

Für uns ist klar: Wir wollen eine demokratische Energiewende von unten, die lokale und dezentrale Technologien fördert. Die Ökostromförderung muss aus Bundesmitteln bezahlt werden. Große Energiekonzerne und Stromnetzbetreiber gehören in öffentliche Hand.

Lorenz Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE
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