Mordanschläge auf Juden und Muslime in Halle und Hanau sowie der Mord an Walter Lübcke zeigen, die Gewalt der extremen Rechten reißt nicht ab.
Von einer „Blutspur des Rechtsextremismus“ sprach Innenminister Horst Seehofer im Februar 2020, nachdem ein rassistisch motivierter Täter in Hanau zehn Menschen ermordet hatte. Zusammen mit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, bei der ein rechter Täter zwei Menschen erschoss, und dem Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke 2019 in Kassel handelt es sich um den extremsten Ausdruck der zunehmenden Gewalt von rechts. Die erschreckende Bilanz der zu Ende gehenden Wahlperiode sind drei rechtsterroristische Anschläge mit insgesamt 13 Todesopfern. Dazu kommen mindestens drei weitere rechte Tötungsdelikte in diesen vier Jahren. Rassistische, antisemitische und ex-trem rechte Alltagsgewalt verharren auf hohem Niveau, finden aber nur noch selten öffentliche Aufmerksamkeit. Gewaltbereite Gruppen der extremen Rechten planen Terroranschläge, horten Waffen und Munition und bereiten einen „Tag X“ vor. Darunter verstehen sie einen völkischen Umsturz und die gewaltsame Beseitigung ihrer politischen Gegner.
„Revolution Chemnitz“, „Atomwaffen Division“ oder „Gruppe S.“ sind Namen solcher Gruppierungen. Hinzu kommen Netzwerke und Einzelpersonen in oder aus den Sicherheitsbehörden, die sich auf einen Umsturz vorbereiten, Waffen- und Vorratslager anlegen, Feindlisten erstellen und für den Ernstfall trainieren. Im Nordkreuz-Netzwerk sammelten sich unter anderem Angehörige von Polizei und Bundeswehr. Bei der Elitetruppe der Bundeswehr, dem KSK, in Polizeieinheiten in diversen Bundesländern: Überall finden sich extrem rechte Aktivitäten, Rassismus und in einzelnen Fällen sogar Bereitschaft zur Gewaltanwendung.
Die Gründe dieser Entwicklung sind vielfältig und in letzter Konsequenz Ausdruck einer krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus – in Deutschland, aber auch weltweit. Konkurrenz, Spaltung in Arm und Reich und das Vorrecht des Stärkeren sind Prinzipien, die von der extremen Rechten schon immer genutzt wurden, um ihre Angebote Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus attraktiv erscheinen zu lassen. Der Abbau des Sozialstaats hat für Verunsicherung und Verlust von Souveränität gesorgt. Diese Erfahrung wird von rechts zum Teil erfolgreich adressiert.
Die AfD hat entscheidenden Anteil am Aufschwung einer auch gewalttätigen extremen Rechten. Die menschenfeindlichen Einstellungen gegenüber bestimmten Gruppen erhalten durch diese Partei eine ganz neue Reichweite und bestärken rechte Gewalttäter in ihrer Einbildung, ihr Handeln sei im Sinn einer schweigenden Mehrheit. Es ist kein Zufall, dass der Mörder von Walter Lübcke mit der AfD sympathisierte, sie im Wahlkampf unterstützte und Geld spendete.
Zu dieser Wahlperiode gehört aber auch, dass mittlerweile Vertreter der Bundesregierung den Rechtsextremismus als die größte Bedrohung in Deutschland anerkennen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass mit Walter Lübcke auch ein konservativer weißer Politiker Opfer rechter Gewalt wurde. Diese Entwicklung ist nicht zu unterschätzen, denn es gehört seit Jahrzehnten zur politischen Tradition der Bundesrepublik, Terror und Gewalt von rechts systematisch zu verharmlosen.
Weder die rechtsterroristische Gewalt der Deutschen Aktionsgruppen und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch die Mord- und Anschlagsserie des Nationalsozialistischen Untergrunds hatten zu einer nachhaltigen Veränderung im Umgang mit der extremen Rechten geführt. Dass sich dies nun teilweise ändert, ist jedoch vor allem der unermüdlichen Arbeit von Opfern und Hinterbliebenen, den gründlichen Recherchen von Antifaschistinnen und Journalisten geschuldet, aber auch unserer Arbeit in den Parlamenten.
DIE LINKE fragt wie keine andere Fraktion im Bundestag nach allen Facetten und Hintergründen der extremen Rechten. Gewaltbereitschaft, Waffenbeschaffung, rassistische Angriffe, organisatorische Zusammenhänge – all das wird von uns regelmäßig in Anfragen thematisiert, in Untersuchungsausschüssen verfolgt und im Plenum zur Sprache gebracht. Einen Effekt kann es aber nur im Zusammenspiel mit einer aufgeklärten antifaschistischen Öffentlichkeit haben, die den Druck auf Behörden und letztlich auch auf die extreme Rechte aufrechterhält.
Noch immer beherrscht die trügerische Figur des Einzeltäters die Ermittlungen und die öffentliche Debatte über rechten Terror, obwohl die Praxis immer wieder zeigt, dass wir es mit Netzwerken zu tun haben. Noch immer werden rechte Netzwerke in den Behörden als Einzelfälle dargestellt, obwohl vielfach belegt ist, dass sich in diesen Apparaten teilweise eine antidemokratische Alltagskultur verwurzeln konnte.
DIE LINKE wird auch in Zukunft eine zuverlässige und entschlossene Gegnerin des Rechtsrucks in all seinen Erscheinungsformen bleiben. Wirklich effektiv wird diese Arbeit aber erst im Bündnis mit Betroffenen und Engagierten, an der Seite der Bewegungen und mit aktiver Unterstützung aller demokratischen und antifaschistischen Bürgerinnen und Bürger.
Martina Renner ist Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion DIE LINKE.

Im Februar 2021 erinnert die Bevölkerung in Hanau an den Anschlag vor einem Jahr.
