Frieden und Sicherheit in Europa wird es nicht ohne, geschweige gegen Russland geben.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte 2001 im Bundestag seine Hand für eine weitreichende Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa ausgestreckt. Doch unsere Regierung, der Westen insgesamt meinte, das nicht nötig zu haben, reagierte arrogant. Putin hat daraus seine Schlüsse gezogen – militärisch, geopolitisch und in gewissem Sinn auch innenpolitisch. Durch die Konfrontationslogik der USA, der die Nato-Mitglieder hinterherlaufen, hat sich bei ihm offenbar die Überzeugung verfestigt, auf unsere Vorstellungen von demokratischen Rechten und Freiheiten immer weniger Rücksicht nehmen zu müssen. Seine eigenen Mehrheiten bei den Wahlen scheinen dagegen allen Protesten zum Trotz eher stabil zu sein. Woher man bei den westlichen Regierungen die Überzeugung nimmt, dass man daran etwas ändern kann, wenn man die Konfrontation immer weiter zuspitzt, bleibt ihr Geheimnis. Man könnte für Alexei Nawalny und andere viel mehr erreichen, wenn man Russland einbindet und nicht immer weiter ausgrenzt.

Deutschland und die EU haben ein grundlegendes strategisches Interesse an guten Beziehungen zu den USA, Russland und China. Zu Russland sind die Beziehungen offensichtlich von Vorurteilen geprägt, China ist ihnen eher fremd, und bezüglich der USA reagieren sie vasallenhaft. Es kommt nun darauf an, mit allen drei Regierungen wieder vertrauensvoll auf Augenhöhe zu verhandeln. Das bedeutet nicht, Gehorsam an den Tag zu legen, sondern zu sagen: Ihr habt eure Interessen, wir haben unsere. Versuchen wir, uns seriös darüber zu verständigen.

Um dies zu erreichen, muss man ein Grundvertrauen zwischen den Regierungen herstellen. Grundvertrauen bedeutet, dass die andere Seite wissen muss, dass das Gegenüber kein doppeltes Spiel treibt und auch zu den Zusagen steht. Das ewige Drehen an der Sanktionsspirale ist dem nicht dienlich, umso mehr, wenn die Maßstäbe dafür an andere Staaten nicht angelegt werden, wie man am Umgang mit der Türkei und Saudi-Arabien sieht.

Ein anderer Weg, um Veränderungen im Sinne von Demokratie und Menschenrechten zu erreichen, hat sich in der Phase des Kalten Krieges als sehr erfolgreich erwiesen. Damals wurde unter der Maxime „Wandel durch Annäherung“ zum einen verhindert, dass aus dem Kalten ein heißer Krieg wurde. Zum anderen konnten schrittweise Veränderungen in den staatssozialistischen Ländern initiiert werden. Die Entspannungspolitik, die unter Willy Brandt begonnen und von Helmut Schmidt und später auch Helmut Kohl fortgesetzt wurde – wenn auch mit etwas unterschiedlichen Schwerpunkten –, fußte auf der Erkenntnis: Der Weg führt nur über Verhandlungen auf Augenhöhe mit den Regierungen, über Kompromisse und eine Politik der kleinen Schritte.

Neben der Friedensfrage wird sich bei den Bundestagswahlen außenpolitisch auch entscheiden, ob Deutschland aus der Sackgasse im Verhältnis zu Russland herausfindet. Ohne eine starke Linke wird dies nicht gelingen.

Gregor Gysi ist außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Gregor Gysi und Sevim Dagdelen legen einen Kranz am Ehrenmal in Berlin-Treptow nieder.

Für ein System beidseitiger Sicherheit

Die deutsch-russischen Beziehungen sind so schlecht wie lange nicht.

DIE LINKE. im Bundestag setzt sich mit Nachdruck für einen Deutsch-Russischen Freundschaftsvertrag ein und hat dazu auch einen Antrag eingebracht (BT-Drs. 19/29437). Der 80. Jahrestag des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni solle seitens der Bundesregierung zum Anlass genommen werden, dazu Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, Aussöhnung und Freundschaft zwischen Deutschland und Russland zu erreichen und zu verstetigen.

Niemals dürfen wir vergessen: Durch den faschistischen Raub- und Vernichtungskrieg wurden 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger aller Nationalitäten der Sowjetunion getötet. Als Einheiten der Roten Armee das Gebiet befreiten, waren 30 Prozent des von deutschen Soldaten okkupierten Territoriums zunächst unbewohnbar. Wir verneigen uns in Demut vor den Opfern und ihren Angehörigen.

In Deutschland gab und gibt es Ablehnung bis hin zum Hass gegenüber Russland und seiner Bevölkerung. Dies muss – schon im Interesse der Sicherung des Friedens – überwunden werden. Am 9. November 1990 wurde der „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) unterzeichnet, den der Deutsche Bundestag am 25. April 1991 ratifiziert hat. Rechtsnachfolger der Sowjetunion ist die Russische Föderation. Dieser Vertrag muss wiederbelebt werden. Das Ziel muss Freundschaft sein.

Gute Beziehungen und Frieden mit Russland müssen erklärtes Ziel der deutschen Außenpolitik sein. Wir setzen uns für ein System beiderseitiger Sicherheit ein. Wir brauchen einen Ausbau der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Kooperation mit Russland. Wir plädieren für eine Intensivierung des Jugendaustausches und der Städtepartnerschaften. Es geht darum, gemeinsam am Haus Europa zu bauen und die Nato-Konfrontation gegenüber Russland samt der damit begründeten Aufrüstung zu beenden.

DIE LINKE. im Bundestag hat darüber hinaus die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um – dem Beispiel der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommerns und Thüringen folgend – dem 8. Mai als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus den Status eines gesetzlichen Gedenktages zu verleihen und den Befreiern zu danken! Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD wie auch die AfD lehnen diesen Antrag regelmäßig ab. Das halten wir für untragbar. Der 8. Mai sollte endlich ein gesetzlicher Feiertag werden. Dafür setzen wir uns ein! Den Befreiern sagen wir: ! Thank you! Merci! Danke!

Sevim Dağdelen

Sevim Dagdelen ist Obfrau der Fraktion DIE LINKE. im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages.

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