Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa in Berlin, spricht über die vergangene Legislaturperiode und das Programm der Partei DIE LINKE. für die Hauptstadt.
Die Kulturverwaltung der Hauptstadt befindet sich in der Brunnenstraße, im Herzen Berlins. Malte Daniljuk traf den Senator, der lange Jahre Vorsitzender des Landesverbandes der Partei DIE LINKE. war.
Klaus Lederer, woher kommt die Affinität der Hauptstadtbewohnerinnen und -bewohner zur linken Politik?
Berlin ist immer ein bisschen besonders. Man kann hier auf unterschiedliche Arten und Weisen glücklich werden. Wir haben traditionell eine starke, engagierte Einwohnerschaft. Es gibt einen progressiven Zeitgeist in der Stadt. Berlin ist auch immer ein Counterpart zum reaktionären bis konservativen Teil der Republik. Wer sich eher im rechten Spektrum aufhält, rümpft die Nase über Berlin. Das führt bei den Berlinerinnen und Berlinern dazu zu sagen: Wenn ihr uns das zuschreibt, sind wir das auch, nämlich progressiv, nach vorne schauend, solidarisch im Umgang miteinander. Ich glaube, Berlin ist einfach vom Selbstverständnis her eine progressive Metropole.
Nach einem Jahr Corona-Sondermaßnahmen: Hätten Sie erwartet, dass die Berlinerinnen und Berliner da mit so einer Disziplin rangehen?
Die Berlinerinnen und Berliner haben gemerkt, da kommt was auf uns zu, und haben doch im Großen und Ganzen versucht, sich so zu verhalten, dass sie andere nicht gefährden, solidarisch zu sein. Das hat mich sehr gefreut, das freut mich auch jetzt wieder. Es gab auch Zeiten, da schlugen alle auf Berlin ein, wir hätten hier die Lage nicht im Griff. Wenige Wochen später war die Situation umgekehrt: Berlin hatte extrem positive Inzidenzzahlen, und in Bayern und in Nordrhein-Westfalen gingen die Inzidenzen durch die Decke. Insofern kann ich nur hoffen, dass wir jetzt auch gut durch die hoffentlich letzte Phase kommen.
Konnte die neue Regierung einen Politikwechsel erreichen?
CDU und SPD hatten hier vorher über fünf Jahre lang kein Problem ordentlich angepackt. Wir haben einen sehr schlecht ausgestatteten, einen sehr schlecht bezahlten öffentlichen Dienst übernommen. Auch dank guter Steuereinnahmen konnten wir jetzt vier Jahre investieren – in Schulen, in den Wohnungsbau, in die öffentliche Daseinsfürsorge, in Infrastrukturen und in neue Busse und Bahnen. Aber auch in den öffentlichen Dienst, sowohl in die Zahl der Beschäftigten als auch in die Bezahlung. Unser Ziel war es, am Ende der Legislaturperiode den Bundesdurchschnitt bei der Besoldung und bei der tariflichen Bezahlung zu erreichen. Das kriegen wir hin. So gesehen haben wir eine ganze Menge auf die Schiene gebracht. Da ist jetzt eine richtig positive Bilanz zu verzeichnen. Das muss jetzt fortgesetzt werden.
Ein großes Thema war der Mietendeckel. Das Bundesverfassungsgericht hat den gerade kassiert. Was bedeutet das politisch für die Stadt und den Senat?
Wir sorgen jetzt dafür, dass keine Nachforderungen erfolgen. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften halten sich daran, Teile der Genossenschaften, selbst Teile der Privaten. Denjenigen, bei denen jetzt doch Rückforderungen eingelaufen sind, haben wir kurzfristig geholfen, dass sie zumindest keine Kündigung erhalten. Jetzt bleibt der Druck auf den Bund: Ich erwarte eine gesetzliche Regelung mit einer Öffnungsklausel für Länder mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Wir hatten in Berlin in einem Jahrzehnt eine Verdoppelung der Angebotsmieten. Das ist einfach heftig. Natürlich bauen wir auch und nutzen die Zeit, um den sozialen Wohnungsbau weiter voranzubringen. Die Planungen für eine zweistellige Zahl neuer Stadtquartiere laufen. Zusätzlich bleiben Eingriffe in das Marktgeschehen mittels des Zweckentfremdungsrahmens, des Milieuschutzes, über Ankauf und andere Möglichkeiten, etwa bodenpolitische Steuerungsmechanismen. Und dann gibt es natürlich das Volksbegehren zur Vergesellschaftung. Wir hoffen, dass genügend Unterschriften zusammenkommenkommen, sodass wir im Herbst einen Volksentscheid in Berlin haben werden.
Wie ist Ihre Bilanz, was solche außerparlamentarischen Initiativen betrifft?
Wir haben in der ersten rot-roten Legislaturperiode von 2001 bis 2006 letztlich Volksbegehren, Volksentscheide erst möglich gemacht. Vorher stand es zwar auch in der Verfassung, aber die Hürden waren zu hoch. Einige Beispiele: Ob es um den Religionsunterricht ging, um die Energienetze, um die Wassernetze oder die Frage der Bebauung des Tempelhofer Feldes, auch jetzt bei der Auseinandersetzung um Wohnen- und Mietenpolitik. Das Instrument wird hier nicht wöchentlich eingesetzt, aber wenn Fragen die Stadtgesellschaft insgesamt bewegen, kann man mit so einem Volksbegehren richtig etwas erreichen.
Was war Ihnen kulturpolitisch besonders wichtig, und was konnten Sie erreichen?
Mir war wichtig, dass wir eine Infrastrukturverwaltung werden und Kultur in der Breite fördern! So sichert die in dieser Legislaturperiode gegründete Kulturräume GmbH landeseigene und private Immobilien dauerhaft, um Räume für Kunst bereitzustellen. Wir haben den Bezirkskulturfonds verdoppelt, wir haben die Zahl der Angestellten in den Musikschulen erhöht. Denn zum Teil gab es vorher nur ein oder zwei Festangestellte pro Bezirk. Wir haben den Projektfonds kulturelle Bildung erheblich erhöht, um damit auch in der Breite kulturelle Bildung voranzubringen. Unsere Förderung orientiert sich an Mindestgagen, damit Kunstproduktion nicht zu sozialen Nöten führt. Den Infrastrukturgedanken haben wir in der Pandemie zu einem großen Schutzschirm für die Kultur aufgespannt. Wir haben Stipendien rausgegeben, versucht, mit entsprechenden Hilfsprogrammen zu unterstützen. Wir konnten leider über die 14 Monate keine Grundsicherung für Freiberufler und Soloselbstständige zahlen. Das wäre seitens des Bunds nötig gewesen. Der hat das gemacht, was er immer macht: die Leute auf Hartz IV schicken.
Worauf kann DIE LINKE in Berlin besonders stolz sein?
Wir können sehr stolz darauf sein, eine Form von Politik etabliert zu haben, die gemeinsam mit den Menschen und Initiativen Politik macht. Das Zweite: Wir haben die rote Laterne bei der Situation im öffentlichen Dienst abgegeben. Auf den sind vor allem die Benachteiligten in besonderer Weise angewiesen. Und wir sind, drittens, mit dieser Investitionsoffensive in die Puschen gekommen und haben angefangen, tatsächlich in die Zukunft der Stadt zu investieren. All diese drei Gründe, die mich stolz machen, lassen mich auch dafür kämpfen, dass wir das weitermachen.
Was wird die Berliner LINKE in einer Regierung in der nächsten Legislatur auf jeden Fall angehen?
Wenn es mit dem Volksentscheid klappt, wird der Senat sich über ein Gesetz zur Vergesellschaftung im Wohnungsbereich Gedanken machen müssen. Zweitens: Wir müssen sehen, dass wir im Infrastrukturbereich weiter investieren können. Das ist keine Selbstverständlichkeit und das hängt übrigens auch mit der Bundesebene zusammen. Steuerpolitik machen wir hier nur begrenzt, die Schuldenbremse bekommen wir nicht alleine ausgehebelt. Drittens: Weiter auf die Stadtgesellschaft hören. Gerade beim sozialökologischen Umbau reicht es nicht, alles zu verbieten, was Ausstoß von Emissionen erzeugt. Wer einen kleineren Geldbeutel hat oder arbeitsmäßig in traditionellen Fortbewegungsformen festhängt, muss mitgenommen werden, damit die Leute die Veränderungen nicht als Bedrohung sehen, sondern als Chance, die auch ihr Leben verbessert.
Video: Klaus Lederer im Gespräch
